Sport als Ausgleich zu einem stressigen Alltag ist weit verbreitet. Oft nehmen wir uns «viel hilft viel» und «einfach mal auspowern» als Leitsätze. Was gut gemeint ist, kann dem Körper im schlimmsten Fall sogar schaden.
Der sportliche Ausgleich ist für viele sehr wichtig, warum ist das so?
Sandra Looser: Sport stellt für viele die Balance zwischen Spannung und Entspannung her. Der Kreislauf wird aktiviert und verschiedene Hormone werden ausgeschüttet. Stresshormone wie das Cortisol werden gesenkt, während Glückshormone wie zum Beispiel das Endorphin ausgeschüttet werden. Das fördert das Wohlbefinden und senkt das Stresslevel.
Wie ist es mit Sport in stressigen Zeiten – kann man es auch übertreiben, sodass negative Effekte auftreten?
Sandra Looser: Ja, definitiv. Sport mit hoher Intensität schüttet Adrenalin und Noradrenalin im Körper aus. Das hilft zwar bei kurzfristigem Stress, kann sich jedoch bei anhaltendem und eher chronischem Stress negativ auf unser System auswirken. Der erwünschte Effekt der Entspannung tritt nicht ein und es kommt zu einer Daueranspannung, welche den chronischen Stress wiederum begünstigt.

Wie viel Zeit braucht der Körper nach einer Trainingseinheit und kann Alltagsstress sich auch auf die Regeneration auswirken?
Sandra Looser: Das kommt auf die Dauer und Intensität der Trainingseinheit an. Wichtig für die Regeneration sind nicht nur die Erholungsphase und guter Schlaf, sondern auch die Ernährung. Wenn wir unter starker psychischer Belastung stehen, ist das mit physischem Stress gleichzusetzen. Mehr Stress bedeutet daher auch eine längere Erholung. Man darf nicht vergessen, dass die Qualität der Regeneration genauso wichtig ist wie die Intensität des Sports.
Inwiefern leidet der Trainingsfortschritt, wenn wir keine ausreichenden Pausen machen?
Sandra Looser: Nach einem Training braucht unser Körper immer eine gewisse Zeit, um sich anzupassen und die gesetzten Reize zu verarbeiten. Erst danach sollte der nächste Trainingsreiz gesetzt werden. Geschieht dies zu früh, haben wir eine «Abwärtstendenz» des Trainingseffekts. Ein unausgewogenes Verhältnis zwischen Erholung und Sport kann zu chronischer Müdigkeit, einem verminderten Leistungsniveau und sogar Verletzungen führen.
Und was raten Sie einer Person mit chronischem Stress im Alltag, um trotzdem gesund und nachhaltig Sport zu treiben?
Sandra Looser: Die Kunst liegt darin, die feine Linie zwischen aktivem Ausgleich und übermässiger Belastung zu finden. Anstatt blindlings der Idee zu folgen, dass mehr Sport zwangsläufig mehr Erholung bedeutet, sollten wir uns bewusst Zeit für ausreichend Regeneration nehmen. Das kann bedeuten,Pausen in den Trainingsplan einzubauen, unterschiedliche Sportarten zu kombinieren oder auch mal bewusst einen Tag Ruhe einzulegen.