Ein Körper voller Leben

Die Macht des Mikrobioms

Wir sind nicht allein. Bakterien, Viren, Parasiten – mit und in uns leben Billionen von Mikroorganismen. Das sogenannte Mikrobiom beeinflusst unsere Gesundheit weitaus mehr als bisher angenommen. Im Interview gibt der Gastroenterologe Stephan Vavricka Einblicke in ein Forschungsfeld, das hoffen lässt.

Herr Vavricka, was lebt da genau in uns und was versteht man unter «Mikrobiom»?

Das Mikrobiom umfasst alle Mikroben, die mit uns zusammenleben; auf der Haut, den Haaren oder im Darm. Neben dem Aspekt, dass die Mikroben unsere Verdauung unterstützen, haben sie viele weitere Funktionen. Unter anderem spielen sie eine wichtige Rolle in der Produktion von Vitaminen und Hormonen. Im Volksmund spricht man häufig von der Darmflora. Sie ist aber nur Teil des Ganzen und besteht wiederum aus vielen verschiedenen Mikroben. Dazu gehören Bakterien, Pilze und Viren. Das Mikrobiom besteht also aus unzähligen Kleinstlebewesen, viele davon sind uns heute noch gar nicht bekannt.

Das klingt unheimlich!

Wohl eher faszinierend! Derzeit schätzt man, dass rund 100 Billionen Bakterien im Darm leben, die ungefähr 500 verschiedenen Familienstämmen angehören. Wie sich diese genau zusammensetzen und was für Auswirkungen sie auf uns haben, wird derzeit noch erforscht. Zahlreiche Studien zeigen jedoch die Wichtigkeit des Mikrobioms in Bezug auf unsere Gesundheit. Man weiss beispielsweise, dass die Darmflora unsere Psyche und unser Verhalten verändern kann.

Prof. Dr. med. Stephan Vavricka war über acht Jahre als Chefarzt der Abteilung für Gastroenterologie/Hepatologie am Stadtspital Triemli tätig. Unter anderem setzte er sich in Chicago mit der Forschung des Mikrobioms auseinander und leitet seit 2017 eine eigene Praxis in Zürich.
Prof. Dr. med. Stephan Vavricka war über acht Jahre als Chefarzt der Abteilung für Gastroenterologie/Hepatologie am Stadtspital Triemli tätig. Unter anderem setzte er sich in Chicago mit der Forschung des Mikrobioms auseinander und leitet seit 2017 eine eigene Praxis in Zürich.

Die Darmflora hat also Einfluss auf unsere Psyche – wie kann das sein?

Nicht umsonst wird der Darm auch unser zweites Gehirn genannt. Der Darm hat wahnsinnig viele Nervenzellen, sogar mehr als unser Gehirn. Zwischen den beiden Organen existieren verschiedene Nervenleitbahnen, die sich gegenseitig beeinflussen und wahrscheinlich viel näher aufeinander abgestimmt sind, als man dies bisher vermutete.

Quote

« Personen sind nach der Einnahme von Probiotika weniger ängstlich.»

Welche Chancen entstehen dadurch für die Medizin?

Wissenschafter haben festgestellt, dass das Mikrobiom je nach Krankheit anders zusammengesetzt ist. Es gibt also einen Zusammenhang zwischen einem unausgeglichenem Mikrobiom und Krankheiten wie Diabetes, Übergewicht oder Depressionen. Studien zeigen, dass Personen nach der Einnahme von Probiotika weniger ängstlich und sozialverträglicher sind.

Dann sind die Bakterien in uns quasi eine Art Wundermittel?

Nein, ganz so einfach ist es nicht. Grobe Veränderungen erkennen wir, aber es ist noch zu früh, um Rückschlüsse zu ziehen oder Entwicklungsstadien von Krankheiten, beispielsweise ob jemand an Multiple Sklerose erkranken wird, abzuschätzen. Tatsächlich werden aber bereits Therapien angewendet, die das Mikrobiom verändern und sich positiv auf Erkrankungen auswirken können. Dazu zählen die Gabe von Probiotika, Stuhltransplantationen oder Ernährungsumstellungen.

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Mit «MyMicrobiome» entdecken Sie mittels einer wissenschaftlich fundierten Darmanalyse Ihr ganz eigenes Mikrobiom und erhalten einen umfangreichen Health-Check zu Ihrer Darmgesundheit. Im Anschluss helfen Ihnen unsere Ärzte und Ernährungsberater, Ihr Darm-Mikrobiom zu optimieren.

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Die Ernährung spielt auch im neuen Angebot «MyMicrobiome» eine wichtige Rolle, bei deren Entwicklung Sie Mitinitiator waren. Wie läuft diese Behandlung ab?

Das Angebot umfasst eine breit gefächerte Untersuchung des Magen-Darm-Trakts und des Stoffwechsels. Anhand einer Stuhlprobe analysieren wir das Mikrobiom und geben individuelle Gesundheits- und Ernährungsempfehlungen ab. Ziel ist es, das eigene Mikrobiom zu stabilisieren oder wiederherzustellen.

Was kann ich selbst tun, um mein Mikrobiom fit zu halten?

Es gibt unzählige Faktoren wie Lebensstil, Genetik oder Umwelteinflüsse, die die individuelle Zusammensetzung beeinflussen. Mit der richtigen Ernährung können wir aber viel Gutes für unsere Bakteriengemeinschaft tun. Zuckerfreie, faserreiche und unraffinierte Lebensmittel wirken sich positiv aus. Medikamente, besonders die Einnahme von Antibiotika, Stress oder Umweltgifte wie Rauchen dagegen negativ.

Wird man in Zukunft anhand des Mikrobioms Krankheiten heilen können?

Davon bin ich überzeugt. Es wird eine Zeit geben, in der wir bestimmte psychische Krankheiten auch durch die Beeinflussung des Mikrobioms behandeln. Und wahrscheinlich wird sich auch die Forschung dahingehend entwickeln, dass wir anfangen werden, einzelne Bakterienstämme einzusetzen, um spezifische Krankheiten präventiv zu behandeln.

Tipps für ein gesundes Mikrobiom

01 Unpasteurisierte Produkte
Unpasteurisierte Produkte enthalten ein breites Spektrum an Bakterien, die für unser Mikrobiom stärkend wirken. Dazu zählen Rohmilchkäsesorten wie Greyerzer oder Appenzeller, da sie aus unerhitzter Milch gemacht werden.

02 Natürliche Probiotika aus fermentierten Produkten

Die Liste der probiotischen Lebensmittel ist lang; Jogurt, Sauerkraut oder Apfelessig. Züchten Sie hauseigene Kulturen und machen Sie beispielweise Ihr eigenes Sauerteigbrot. Die darin lebenden Mikroorganismen leisten einen wertvollen Beitrag für Ihr Mikrobiom.

03 Nur in letzter Instanz Antibiotika einnehmen

Antibiotika schädigen das gesamte Mikrobiom nachhaltig, auch bei kurzer Einnahme. Dieses muss erst mühsam wiederaufgebaut werden. Entzündungen oder Infekte im Anfangsstadium können auch mit Naturheilmitteln angegangen werden.

04 Biologische Lebensmittel bevorzugen

Auf biologisch produzierten Produkten finden sich lebende Milchsäurebakterien. Sie mögen keine Pestizide und machen sich davon, wenn solche eingesetzt werden.

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