Hahn, Huhn, Ei. Diese drei gehören eigentlich zusammen. Doch die Aufzucht männlicher Küken ist nicht wirtschaftlich und wird deshalb kaum praktiziert. Auf Roman Clavadetschers Hof ist das anders.
Hahn, Huhn, Ei

Ein braun-weisses Getümmel aus Federn ist zu sehen, als Roman Clavadetscher die Tür zu einem seiner mobilen Ställe öffnet. Etwa 500 junge Hähne haben hier drinnen viel Platz. Interessiert beäugen einige Tiere den Landwirt und seinen Besuch. Andere picken unbekümmert weiter im Stroh oder dösen auf der Sitzstange. Nur wenige haben sich nach draussen auf die Wiese getraut; trotz Sonnenschein ist es noch recht frisch an diesem Tag.
Die Tiere sind 77 Tage alt und damit ganze 76 Tage älter, als es in der herkömmlichen Fleisch- und Eierindustrie gängig ist. Es sind Bruderhähne. «Das sind männliche Küken aus der Legehennenbrüterei, die aufgezogen werden und bis zum Erreichen ihres Schlachtgewichts ein artgerechtes Leben führen dürfen», erläutert Clavadetscher. Noch viel zu häufig werden männliche Küken sofort nach dem Schlüpfen aussortiert und vergast, bloss weil sie keine Eier legen können und nicht so schnell Fleisch ansetzen wie Tiere aus einer intensiven Mastrasse. «Das hat kein Tier verdient», sagte sich der Fleischproduzent vor elf Jahren und begann, Bruderhähne auf seinem Hof in Malans grosszuziehen.
Ein regelmässiger Abnehmer ist Silvio Germann. Der Küchenchef des Restaurants IGNIV by Andreas Caminada hat Bruderhahn meist im Frühjahr auf dem Menü stehen. «Ihr Fleisch schmeckt etwas intensiver als herkömmliches Poulet», erklärt er. «Bruderhähne haben etwas weniger Fett auf den Rippen, ihr Fleisch ist etwas fester, weswegen es auch länger im Ofen bleibt. Dafür schmecken sie aber hervorragend.» Qualität statt Masse lautet also die Devise.

Der 32-Jährige macht sich gern selbst ein Bild von seinen Produzentenbetrieben. «Es ist schön zu sehen, dass die Tiere hier artgerecht aufwachsen, im Sand baden und nach Würmern picken können.» Roman Clavadetscher ergänzt: «Damit der Bruderhahn leben kann, muss er gegessen werden. Wenn eine vierköpfige Familie etwa zehn Eier in der Woche verbraucht, kann sie mit dem Genuss von zwei Bruderhähnen im Jahr eine ausgeglichene Hahn-Henne-Ei-Bilanz ermöglichen.»
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« Damit der Bruderhahn leben kann, muss er gegessen werden.»
Bis es für seine Bruderhähne mit 70 bis 84 Tagen zum Schlachter nach Rheineck geht, konzentriert sich die Arbeit des Landwirts, der nach Bio-Suisse-Kriterien produziert, auf eine tiergerechte Haltung: Die Tiere haben massig Platz. Werden in Intensivmastbetrieben 9'000 Tiere zusammengehalten, sind es bei Clavadetscher nur 500. Gefüttert wird mit eigenen Weizenkörnern. Ansonsten sind die Tiere grossteils sich selbst überlassen und können frei entscheiden, ob sie sich auf der grossen Wiese oder im frisch eingestreuten Unterschlupf aufhalten möchten. «Ich muss sie lediglich jeden Abend in den Stall treiben, damit sie über Nacht vor dem Fuchs geschützt sind und morgens die Stalltür wieder öffnen», sagt er. Damit die Bruderhahnaufzucht auch wirtschaftlich ist, wird sie vom Eier-Label «Henne und Hahn» unterstützt. «Die Eier sind im Schnitt etwa fünf Rappen teurer, aber Bruderhahn-Fleisch hat denselben Preis wie Bio-Poulet.
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Übrigens: Bruderhahn kommt auch im Restaurant
VERVE BY SVEN regelmässig auf den Tisch.